Wenn wir uns mit User Experience auseinander setzen, dann müssen wir ihn zwangsläufig in Relation zu seinem engen Verwandten Usability bringen. Usability ist in der ISO 9241-11 genormt. Die Usability eines Produktes wird durch die Effizienz, Effektivität und Zufriedenheit eines Benutzers oder einer Benutzerin bei der Interaktion in einem bestimmten Nutzungskontext definiert. Diese drei größen sind messbar, z.B. durch User Tests, Experten Reviews oder ähnliches.
Auch der Begriff der User Experience ist genormt. Er wird in der ISO 9241-210 definiert. User Experience beinhaltet, was die Benutzer:innen wahrnehmen und wie sie reagieren, und zwar während der Benutzung oder in der erwarteten Benutzung. Dazu gehören Emotionen, psychologische und körperliche Reaktionen, die Erwartungen und auch das spezielle Verhalten der Benutzer:innen.
Gerade Emotionen haben eine gewaltige Kraft. Positive Emotionen erzeugen eine starke Bindung mit dem betroffenen Objekt. So können wir nur schwer die erste CD wegwerfen, die wir uns vom eigenen Taschengeld gekauft haben. Dasselbe gilt für unser liebstes T-Shirt, auch wenn es noch so zerfleddert sein mag, es uns aber an das besondere Konzert oder die Stadt erinnert, wo wir es gekauft haben.Genauso geht es uns mit der Flasche voller Sand, die wir aus einem wundervollen Urlaub mitgebracht haben. Zu all diesen Objekten haben wir eine starke Bindung aufgebaut, weil wir sie mit positiven Emotionen assoziieren.
Bei Objekten, die wir mit negativen Erinnerungen verbinden, ist es genau umgekehrt. Deshalb werfen manche von uns nach einer Trennung Erinnerungsstücke an die Beziehung weg. Genau wie wir Glücksbringer in schwierigen Situationen immer bei uns haben möchten, fliegen “Pechbringer” schnell aus unserem Leben heraus.
Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung.
Dietrich Bonhoeffer
Wie schaffen wir positive Emotionen in unseren Designs und Produkten?
Wir Menschen lieben Spiele, Rätsel, Herausforderungen und Überraschungen. Viele unserer stärksten Erinnerungen hängen mit unerwarteten Ereignissen zusammen. Die besten Witze gefallen uns aufgrund der unerwarteten Pointe. Und nicht zuletzt gehen wir gerne in Geisterbahnen, weil wir das Unerwartete suchen und uns daran erfreuen.
Nun wollen Designer ihre Benutzer:innen nicht erschrecken. Wir wollen sie aber sicherlich im positiven Sinne überraschen. Wenn wir es schaffen, einen Aha- oder Wow-Effekt auszulösen, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und sie begeistern, erzeugen wir eine Bindung zwischen ihnen und dem Produkt. Im besten Falle, werden sie sogar für das Produkt werben. Dafür muss das Produkt natürlich gut und ansprechend designed sein. Mit einer gut durchdachten Oberfläche, die verspielte Elemente vorweist können wir solche Begeisterung erzeugen. Auch versteckte Features, also Easter Eggs, können dazu beitragen. Wenn wir die Benutzer:innen mit spannenden, lehrreichen oder spielerrischen Überraschungen versorgen, werden positive Emotionen entstehen.
Das kann aber nur funktionieren, wenn die Easter Eggs eine Nebenrolle spielen. Die wichtigen Features müssen stabil funktionieren. Das System darf nur möglichst wenige Bugs vorweisen. Ist dies nicht der Fall, können Easter Eggs schnell ins Gegenteil umschlagen: Anstelle mit den Überraschungen positive Emotionen bei den Benutzer:innen hervorzurufen, wird das ganze Produkt hinterfragt:
Warum beheben sie nicht zuerst ihre Fehler, sondern bauen so unnötigen Quatsch ein? Wieso haben die Entwickler:innen dafür Zeit? Sie sollten sich besser mit unseren Problemen befassen!
Wissenswertes zu Easter Eggs
- Easter Eggs sollen unterhalten. Sie dürfen auf keinen Fall die Aufmerksamkeit der Benutzer:innen von ihrer eigentlichen Aufgabe im Umgang mit dem Produkt ablenken.
- Sie können dazu führen, dass die Benutzer:innen sich intensiver mit dem System auseinander setzen und so das Produkt besser kennenlernent, während sie nach Easter Eggs stöbern. So wird die Lernkurve abgeflacht und neue Features schneller akzeptiert und erkundet.
- Oft sind Easter Eggs auf den ersten Blick überhaupt nicht als solche erkennbar, sofern die Benutzer:innen nicht über die erforderlichen Hintergrundinformationen verfügen. Ein Beispiel dafür ist der Code A113, der in diversen Kino- und Fernsehproduktionen genutzt wird.
- Easter Eggs verleihen einem System einen menschlichen Touch. Die Entwickler:innen implementieren sie für die Benutzer:innen und stellen sich ihnen somit vor. Sie können so also die Benutzer:innen daran erinnern, dass Menschen hinter dem Produkt stehen, das sie gerade bedienen und dass sie sich um sie kümmern und sich mit ihnen beschäftigen.
- Nicht zuletzt sollen sie die Benutzer:innen etwas aus ihrem Alltag und der Monotonie herausholen. Sie sind als kleine Ablenkungen gedacht, die die Benutzer:innen kurz unterhalten, informieren oder zum Nachdenken anregen.
- Kleine Fehler in einem System werden von Benutzer:innen eher entschuldigt. Wenn sie ausreichend clever und unterhaltsam sind, können sie davon ablenken, dass der eine oder andere Link auf einer Seite nicht funktioniert oder ähnliches.
- Gut gemachte Easter Eggs prägen sich ein. Sie sorgen dafür, dass die Benutzer:innen vom Produkt sprechen und es weiter empfehlen.
Beispiele
Easter Eggs finden sich vor allem natürlich in Software-Systemen, Computerspielen und Webseiten.
Beispiele dafür sind etwa die Spiele in Word 97 (Flipper) und Excel 97 (Flugsimulator). Aber auch in Browsern sind Easter Eggs vorhanden. In Mozilla Firefox ist das Buch Mozillas (about:mozilla) oder eine Warnung vor Robotern (about:robots) versteckt. In Google Chrome ist ein Spiel versteckt, wenn keine Internetverbindung vorhanden ist (oder über chrome:/dino).
In Computerspielen sind oftmals geheime Level versteckt. Auch die “Grand Theft Auto”-Spiele enthalten regelmäßig Easter Eggs.
Google dreht die Ergebnisansicht einmal um 360 Grad, wenn man “do a barrel roll” eingibt. Andere Webseiten bieten ähnliche Funktionen.
Auch hidden Tracks auf CDs können als Easter Eggs betrachtet werden.
In vielen Filmen sind Anspielungen auf andere Filme oder Figuren aus anderen Filmen vorhanden. Es gibt auch Computerspiele, die auf Filme anspielen oder umgekehrt.
Fazit
Easter Eggs können eine gute und starke Möglichkeit darstellen, die User Experience eines Systems zu verbessern. Bevor aber nicht die grundlegenden Funktionalitäten und Features vorhanden sind, um das System bedienbar zu machen, ist der Gedanke an Easter Eggs aber schlicht ein Fehler.
Sie sind auch kein Allheilmittel. Ist das System also nicht gut designt und die Usability schon nicht gegeben, dann können auch Easter Eggs das Ruder nicht mehr herumreißen.
Soll aber bei einem funktionalen System noch eine Besonderheit oder eine Kleinigkeit implementiert werden, mit denen wir die Benutzer:innen restlos fesseln und sie vielleicht sogar zu Fans machen wollen, können Easter Eggs ein gutes Mittel darstellen.
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